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MIT KRITISCHEM DENKEN WIRKSAMER KOMMUNIZIEREN

Missverständnisse entstehen häufig, besonders dann, wenn Menschen zusammenarbeiten, die sich noch nicht gut kennen. Das führt nicht nur zu Frustration bei den Beteiligten sondern beansprucht auch schnell sehr viele Ressourcen. Kritisches Denken hilft Ihnen, die Grundlagen einer gemeinsamen Sprache zu legen und so langfristig wirksamer zusammenzuarbeiten.


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Von Maren Drewes

Vielleicht kommt Ihnen diese Situation bekannt vor: Sie haben gerade mit Ihrem neuen Team besprochen, wie Sie Ihr erstes Projekt angehen wollen. Da Sie die Ergebnisse protokolliert haben, haben Sie auch bereit erklärt, daraus einen „Plan“ zu entwickeln und ihn Ihren Kolleginnen zuzuschicken. Motiviert erledigst du deine Aufgabe und bist überzeugt, sehr gute Arbeit gemacht zu haben. Doch dein „Plan“ stößt leider auf wenig Begeisterung: da hatte man etwas ganz anderes erwartet, „so kann man doch nicht zielorientiert arbeiten“ und überhaupt „wieso sind da keine Meilensteine drin?” Offensichtlich hattet ihr ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, wie dieser „Plan“ konkret aussehen soll.

Solche Missverständnisse entstehen häufig, besonders dann, wenn Menschen zusammenarbeiten, die sich noch nicht gut kennen und – wie ich sagen würde – noch keine gemeinsame Sprache sprechen. Unter einem „Plan“ kann man sich ganz unterschiedliche Dinge vorstellen, es ist also ein vager Begriff mit verschiedenen Bedeutungen. Vage Begriffe benutzen wir sehr häufig, auch wenn uns das meist gar nicht auffällt. Bitte mal drei deiner Freunde oder Kolleginnen, dir ein „Schloss“ aufzuzeichnen und schau dir die Ergebnisse an. Oder suche nach drei verschiedenen Projekten, die Chancengerechtigkeit fördern, und frage die Mitarbeiter, wie eine Gesellschaft, in der Chancengerechtigkeit herrscht, aussehen würde. Du wirst sicherlich beeindruckende, aber auch sehr unterschiedliche Antworten bekommen. Oft funktioniert das sogar, wenn du drei verschiedene Mitarbeiterinnen derselben Organisation fragst.

Ist das schlimm? Nein, in vielen Fällen nicht. Es gibt gute Gründe, sich vage auszudrücken. Oft ist es gar nicht notwendig, näher zu spezifizieren, was man meint. Zum Beispiel wenn ich meinen Kollegen bitte, mich zurückzurufen, geht oft schon aus dem Kontext hervor, welche Nummer er wählen soll. Manchmal möchte man sich auch gar nicht weiter festlegen, zum Beispiel in einem Gespräch mit einer potenziellen Geldgeberin, in dem man froh ist, mit Ach und Krach einen gemeinsamen Nenner gefunden zu haben. Doch es gibt eben auch Situationen, in denen wir über vage Begriffe stolpern, weil wir unbeabsichtigt Missverständnisse oder Unverständnis erzeugen. Was sind das für Situationen? Und wie kann man mit Ihnen umgehen?

Begriffsarbeit im kritischen Denken

Problematisch sind vage Begriffe dann, wenn es wichtig ist, eine konkrete gemeinsame Vorstellung von dem Konzept zu haben, das man mit diesem Begriff beschreibt. Zum Beispiel wenn Aufgaben wie die Erstellung eines Plans delegiert werden. Aber auch in Strategieplanungsprozessen. Nehmen wir das Beispiel mit der Chancengerechtigkeit: Hier ist es unabdingbar, eine konkrete gemeinsame Vorstellung vom angestrebten Ziel zu haben, um verschiedene Wege, die zu diesem Ziel führen könnten, zu entwickeln und zu beurteilen. Oder auch im noch grundlegenderen Fall: Wenn solche Visionen oder Leitbilder, sprich die Wertvorstellungen einer Organisation, auf der alle Arbeit aufbaut, erst gemeinsam entwickelt werden sollen. Dann sollte man sich sowohl gemeinsam mit den Ideen als auch mit den Wörtern, die diese Ideen kommunizieren sollen, beschäftigen.

Methodentipps: Wortfelder und situative Beispiele

Es sind solche Situationen, in denen kritisches Denken weiterhilft, da es dabei unter anderem um Begriffsarbeit, also die nähere Bestimmung vager Begriffe, geht. Gute Erfahrung in Beratung von Organisation haben wir mit Wortfeldern und situativen Beispielen gemacht. Bei der ersten Methode bläst man den Begriff auf oder lässt ihn explodieren: In einem gemeinsamen Brainstorming werden zunächst alle Synonyme und angrenzenden Wörter gesammelt. Anschließend alle Antonyme, also Wörter mit gegensätzlicher Bedeutung oder Assoziation. So lassen sich die Unterschiede und Grenzen ausloten: In einer anschließenden Reflexion wird schnell klar, dass manche vorgeschlagenen Ausdrücke von anderen gar nicht mit dem Begriff assoziiert werden. Als ich dies das letzte Mal mit dem Begriff “Effizienz” gemacht habe, war sich die Gruppe zum Beispiel uneinig darüber, ob “Entschleunigung” und “Produktivität” angrenzende oder gegensätzliche Wörter zu “Effizienz” sind. Situative Beispiele sind weniger stark an Sprache gebunden. Hier sammelt man Bilder oder Situationen, die den Begriff veranschaulichen, malt sie oder stellt sie nach. So werden die blanken Wörter in einen Kontext gestellt, der die Teilnehmer_innen ganzheitlicher anspricht. Bei “Effizienz” mussten einige Teilnehmende zum Beispiel an einen Containerhafen denken.

Nimmt sich ein Team die Zeit, seine wichtigsten Begriffe näher zu bestimmen, arbeitet es dabei nicht nur am Strategieelement, das gerade entwickelt werden soll, sondern legt dabei auch die Grundlagen einer gemeinsamen Sprache, die einen durch den gesamten Arbeitsalltag begleiten wird. Zugleich entwickelt es sehr nützliches Material für die Kommunikation: Die gesammelten Begriffswolken können zum Beispiel immer wieder herangezogen werden, wenn es darum geht, Texte, Pitches oder sogar Leitsätze zu entwickeln, die mit wenigen Worten ausdrucksstark beschreiben, worum es der Organisation in ihrer Arbeit geht.

 

Erstmals ist dieser Artikel erschienen unter: https://www.tbd.community/de/a/kritisches-denken-gute-organisation